90 Jahre Februar 34

Rede bei der Gedenkveranstaltung in Steyr am 12. Februar 2024

Liebe Genossinnen und Genossen,

zuerst ein großes Danke für die wichtige und wertvolle Erinnerungsarbeit, die heute, an dem Tag, an dem sich die Februarkämpfe zum 90. Mal jähren, bereits in Steyr stattgefunden hat. Ich bin begeistert von dem tollen „Weg zum Februar 1934“, da ist euch wirklich was tolles gelungen, herzliche Gratulation dazu!

Ich möchte mit euch meine Gedanken zu diesem Jahrestag und aktuellen Herausforderungen für unsere Demokratie teilen und mich sehr herzlich für die Einladung dafür bedanken.

Der 12. Februar 1934 markiert einen blutigen Einschnitt in der Geschichte der österreichischen ArbeiterInnenbewegung. Ausgehend von Linz verteidigten unsere GenossInnen in einem mutigen Kampf die Demokratie. Sie kämpften gegen Unterdrückung und Knechtung durch das austrofaschistische System der Christlichsozialen unter Dollfuss. Es war ein heroischer und gleichzeitig verzweifelter Einsatz für die Freiheit und ein demokratisches Österreich.

Diesem Ereignis ist die jahrelange Drangsalierung der ArbeiterInnenbewegung und ihrer Organisationen, die Zerschlagung sozialpolitischer Errungenschaften der Ersten Republik und die permanente Aushöhlung und letztendlich Zerstörung der parlamentarischen Demokratie vorangegangen.

Die Februarkämpfe haben ihren Ausgang in Linz genommen. Aber sie waren nicht der Auslöser, sondern ein weiterer Eskalationsschritt. Denn es ist zentral, die Etablierung des Austrofaschismus nicht als Zufall oder Reaktion zu verstehen. Emmerich Tálos, der renommierte Politikwissenschaftler, zeichnete ganz klar nach, dass das Ende des Parlamentarismus kein Zufall war, sondern ein ganz zentrales Ziel von Dollfuß und den Heimwehren. 

Für einige unserer Genoss:innen bedeutete der Februar 1934 auch den Tod. Etwa für den jungen Steyrer Josef Ahrer, der wegen der Beteiligung an den Kämpfen standrechtlich hingerichtet wurde, sowie die 11 weiteren Genossen, denen wir heute gedacht haben. Unser Gedenken an die Ereignisse im Februarkampf ist daher immer auch ein Gedanken an die mutigen Widerstandskämpfer:innen, die ihr Leben, ihre Freiheit, ihre Zukunft aufs Spiel setzten, um für die Demokratie, für die Bewegung, einzutreten.

Das Gedenken an die Februarkämpfe 1934 erinnert uns aber auch daran, dass Fortschritt, Demokratie und Freiheit nicht selbstverständlich sind, sondern dass wir immer wachsam sein müssen, wenn die Demokratie angegriffen und Menschen gegeneinander ausgespielt werden. 

Bis heute ist diese Zeit zwischen 1933/34 und 1938 Grund für Debatten nicht nur zwischen Historiker:innen, sondern insbesondere zwischen politischen Parteien und hier vor allem zwischen SPÖ und ÖVP. Das zeigt sich immer wieder auch an der Frage, wie diese Zeit zu benennen ist.

Im Kurier-Interview mit dem ÖVP-Dollfuß-Verteidiger Andreas Khol und dem konservativen Historiker Kurt Bauer vergangenen Sonntag wird der Begriff Austrofaschismus einmal mehr als linker Kampfbegriff abgestempelt.

Auch die Person Engelbert Dollfuß politisch-theoretisch als Faschisten einzuordnen ist immer noch umkämpft. Aber es geht um mehr als nur die Frage, ob Kanzler-Diktatur nun der treffendste Begriff sei oder nicht. Vor allem in konservativen Milieus wird umschrieben, geleugnet oder ausgelassen, was die austrofaschistische Herrschaft auch inhaltlich bedeutete: Abschaffung der Demokratie und betrieblicher Mitbestimmung, Unterdrückung und sozialpolitischer Rückschritt.

Die ÖVP ist auch 90 Jahre danach immer noch nicht gewillt ist, sich einer konstruktiven Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte zu stellen. Da wurden im Jänner noch rasch Exponate aus der umstrittenen Ausstellung im Dollfuß-Museum in Textingtal durch Leihgeber, etwa dem ÖVP-Bauernbund Niederösterreich geräumt, wahrlich von einem Tag auf den anderen, um eine wissenschaftlich kuratierte systematische Räumung des Museums bis 2028 zu verhindern. Die gedenkpolitischen Interessen der ÖVP werden auf Kosten einer zeitgemäßen, demokratischen und evidenzbasierten Geschichtskultur durchgesetzt.

Für uns ist diese Auseinandersetzung mit der Geschichte des Austrofaschismus als Auftrag zu verstehen, die Demokratie zu stärken und aktiv und effektiv gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus aufzutreten. Gedenken ist für uns kein Pflichttermin im Kalender, sondern eine Rückbesinnung auf unsere Geschichte, unsere Werte. Aber mehr noch: es ist vor allem auch ein Handlungsauftrag für die Gegenwart.

Und da sind wir aktuell mit politisch gefährlichen Entwicklungen konfrontiert. Die Gefahr des Rechtsextremismus zeigt sich nicht erst seit der Berichterstattung über die geheime Konferenz von Rechtsextremen, Neonazis, AfD-PolitikerInnen aber auch der bürgerlich-rechten Werte-Union in Deutschland.

Seit Jahren verweisen wir auf die anhaltend hohen rechtsextremen Straftaten in unserem Land, die sich insbesondere in Oberösterreich auf einem negativen Spitzenlevel halten. Dazu kommt die Häufung an großen Waffenfunden im rechtsextremen Milieu in den letzten Jahren. Das zeigt deutlich die Gefahr auf, die von Rechtsextremismus in Österreich ausgeht. Eine Bedrohung, auf die auch der Direktor der DSN laufend öffentlich hinweist.

Mit der Konferenz in Potsdam wurden die Pläne der Rechtsextremen deutlich: Nämlich die Massendeportation von Menschen, – auch mit einem Entzug der Staatsbürgerschaft verbunden, die Verfolgung Andersdenkender und die Zerstörung der liberalen Demokratie.

Was in Deutschland – zu Recht – für Empörung sorgt und Hunderttausende Menschen auf die Straßen bringt, überrascht uns in Österreich eigentlich nicht mehr wirklich. Durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ auf Bundes- und Landesebene, das ständige Ausweiten des Sagbaren und Machbaren, unzähligen rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Vorfällen ist es zu einem gewissen Gewöhnungseffekt gekommen und das ist brandgefährlich.

Niemals dürfen wir Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus gleichgültig gegenüberstehen, sondern wir müssen gerade vor unserer historische Verantwortung immer laut aufschreien und dagegen einschreiten.

Gerade in Oberösterreich haben viele rechte Medien und Fake-News-Plattformen ihren Sitz, verbreiten ihre Botschaften in ihren Echokammern. Die neue Rechte nutzt ein neues zeitgemäßes Framing, das auch von der FPÖ geteilt wird.

Gleichzeitig werden der öffentlich-rechtliche Rundfunk, kritische Medien und JournalistInnen angegriffen und öffentliche Hetzkampagnen initiiert. Erst letzte Woche wurde eine renommierte Journalistin Opfer einer rechten Hetz- und Hasskampagne.

Auch WissenschafterInnen, die zu Rechtsextremismus forschen, werden von der FPÖ öffentlich angeprangert, etwa die MitarbeiterInnen des DÖW.

Besonders, seit klar ist, dass dieses den Rechtsextremismusbericht, den wir seit Jahren eingefordert haben, erstellen wird. Kickl verweist in seiner Neujahrsrede auf so genannte Fahndungslisten. Der FPÖ-Landeschef Haimbuchner meint, Kickl wird  Islamisten und Journalisten Benehmen beibringen. Da zeigt sich die Strategie ganz klar: Es geht ums Einschüchtern und mundtot machen von kritischen Stimmen.

Liebe GenossInnen, nehmen wir die Gefahr ernst. Nehmen wir unsere Verantwortung ernst. Und wir sehen, dazu sind viele bereit: Es stimmt mich positiv, dass sich jetzt auch in Österreich deutlicher Widerstand gegen diese demokratiefeindlichen Entwicklungen regt. 80.000 Menschen bei der Kundgebung in Wien, 2.500 bei der Demo gegen den Burschenbundball in Linz, Tausende auch in anderen Städten – es ist gut, dass die Zivilgesellschaft aufsteht und klare Grenzen aufzeigt. Darauf müssen wir weiter aufbauen.

Die SPÖ muss Teil dieser Bewegung für die Verteidigung der Demokratie sein, genauso, wie sie vor mehr als 100 Jahren die Demokratie erkämpft hat und sie gegen den Austrofaschismus verteidigen wollte. Und sie in der Zweiten Republik wieder mit aufgebaut hat.

Es ist wichtig, dass wir hier eine klare Position haben. Und dazu ganz unmissversständlich: Eine Koalition mit der FPÖ, unabhängig ob mit oder ohne Kickl, unabhängig ob auf Bundes- oder Länderebene kann es für uns nicht geben.

Und seien wir uns auch eines klar: die ÖVP tut alles, um an der Macht zu bleiben. Auch in einer Koalition mit Kickl, wenn sie zusammen stark genug sind. Das sehen wir in Salzburg, das sehen wir in Niederösterreich und in Oberösterreich wissen wir längst, dass zwischen FPÖ und ÖVP kein Blatt Papier passt.

Gerade in Krisenzeiten sind Angriffe auf die Demokratie und ihre Institutionen brandgefährlich. Vor allem die massive Teuerung in den letzten Jahren stellt Menschen vor große, oftmals existentielle Herausforderungen. Das führt zu Angst und Zukunftssorgen. Korruptionsdebatten führen zusätzlich zu massivem Vertrauensverlust in die Politik, Angriffe auf die Arbeit der unabhängigen Justiz gefährden diese. Gerade in solchen Zeiten braucht es eine stabile und gefestigte Demokratie, damit Angriffe gegen sie nicht zu einer massiven Schädigung führen.

Und es braucht sozialdemokratische Antworten auf die Krisen der Zeit. Mutig, entschlossen und laut. Wir müssen ganz klar die soziale Frage in den Mittelpunkt unserer Politik stellen, die auf unseren Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität basiert. Eine Politik, die Menschen gegeneinander ausspielt, ist mit uns nicht möglich.

Liebe Genossinnen und Genossen, es ist ein politisch entscheidendes Jahr für unser Land. Nur eine gestärkte SPÖ, die glaubhaft sozialdemokratische Werte vertritt und den Menschen Hoffnung gibt, dass wir ihr tägliches Leben verbessern können, kann eine Kanzlerpartei FPÖ und eine Neuauflage einer Schwarzblauen Regierung verhindern. Es geht um viel. Es geht um unsere Demokratie, die in dieser Zweiten Republik noch nie so stark unter Druck stand, wie gerade jetzt.

Wenn wir heute an die mutigen Genossinnen und Genossen erinnern, die im Februar 1934 aufgestanden sind, um dem Faschismus zu trotzen und für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, so tun wir das in dem Bewusstsein, dass ebendiese keine Selbstverständlichkeit sind und jeden Tag aufs Neue mit Leben gefüllt werden müssen.

In diesem Sinne: Hoch die Internationale Solidarität!

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!