Das Land Oberösterreich tritt Wunsch Holocaust-Überlebender mit Füßen

In einem berührenden Brief wendet sich Anthony Cohn, Enkel der ehemaligen Eigentümerin des Grundstücks am Attersee, Gertrude Webern, geborene Pollak, an die österreichische Politik. Er zeigt sich besorgt über die aktuelle Entwicklung rund um das Europacamp der Sozialistischen Jugend und verweist auf den Kaufvertrag des Lands Oberösterreich: „Die Bedingungen dieses Vertrages, einschließlich der symbolischen Pacht für einen Zeitraum von 99 Jahren, waren der ausdrückliche Wunsch unserer Großmutter und unseres Großonkels. Ohne diese Bedingungen hätte das Land Oberösterreich nicht die Möglichkeit gehabt, Eigentümer des Grundstücks zu werden.“ ****

Die Erben schreiben: “Unsere Großmutter hat zu Lebzeiten immer wieder deutlich gemacht, dass es ihr Wunsch war, dass die Sozialistische Jugend ihr ehemaliges Grundstück für ein Jugendlager mit freiem Zugang zum Attersee für die Öffentlichkeit nutzt.”

Das Grundstück wurde von den Nazis beschlagnahmt, die Besitzer*innen wurden als Jüd*innen enteignet. Nach der Befreiung Österreichs zwang ein gerichtlich angeordneter Vergleich die Familie, hohe Summen an jene Personen zu zahlen, die in der Zwischenzeit in den Besitz der Liegenschaft gelangt waren. „Um dies bezahlen zu können, verkaufte unsere Familie einen Teil ihres Besitzes, darunter auch das Grundstück, auf dem sich heute das Europacamp befindet, das an das Land Oberösterreich verkauft wurde“, schreibt Anthony Cohn. Mehrfach wurde der Familie Webern-Pollak in Österreich Unrecht angetan, die Familie wurde zum Teil inhaftiert, vertrieben, enteignet. „Es ist die mindeste Pflicht des Landes Oberösterreich, den Wunsch der Überlebenden zu respektieren und auch die vertraglich festgelegten Bedingungen nicht zu brechen. Der Umgang mit dem Wunsch Familie ist einmal mehr skandalös“, sagt Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur.

“Es ist eine Unverschämtheit sondergleichen. Die Miete für das Europacamp, das seit mehr als 70 Jahren von der Sozialistischen Jugend in Weißenbach am Attersee betrieben wird und dort einen günstigen Jugend-Begegnungsplatz und den freien Zugang zum Attersee ermöglicht, soll um das 60.000-fache erhöht werden. Und zwar weil es der ÖVP offenbar ein Dorn im Auge ist”, so Schatz weiter.

Für die SPÖ ist die rechtliche Lage eindeutig. Man kann hier nicht von einer Parteispende sprechen, da die Pacht vertraglich geregelt wurde. “Dass die ÖVP nun versucht, aus einem privatrechtlichen Vertrag eine Parteispende zu konstruieren, ist für uns nicht nachvollziehbar. Dass hier aber auch insbesondere der Wunsch von Überlebenden nicht respektiert wird, ist unerhört”, so Schatz abschließend.

SERVICE: Das ganze Statement von Anthony Cohn ist unter folgendem Link online abrufbar: http://www.europacamp.at/europacamp/statement-erben